Veranstaltungen, Diözese St.Pölten

> 02742-324-3376 > e-mail

Glaube Weihbischof

Wer hat das letzte Wort?


Es gibt Menschen, die müssen immer das letzte Wort haben. Kennen Sie auch solche Menschen? Wer hat denn so das letzte Wort in Ihrer Ehe? In Ihrer Familie? Unter den Arbeitskollegen? Am Stammtisch?
Und wer hat das letzte Wort über mein Leben? Der Arzt, der den Eintritt des Todes festgestellt hat? Die Leichenredner? Der Totengräber? Der Notar und die Erben? Wer hat das letzte Wort über mein Leben und über das meiner Liebsten? Über die Menschheit?


Als Christen sind wir überzeugt, dass derjenige das letzte Wort hat, der auch das erste Wort hat, der mich und die Welt ins Leben gerufen hat: Gott. Ich verdanke mein Leben nicht nur meinen biologischen Eltern, sondern dem schöpferischen Wort Gottes. Gott will, dass ich lebe, aus diesem Grund existiere ich.


Nicht Texte, sondern eine lebendige Person
Im Oktober 2008 habe ich als Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz bei der Weltbischofssynode in Rom teilgenommen. „Ging es da nicht um die Bibel?“ – Das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig! Das Thema lautete: „Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche“.
Im Anfang war das Wort. Alles ist durch das Wort geworden. Und das Wort ist Fleisch geworden (Joh 1). In der Mitte des christlichen Glaubens steht nicht ein Text oder ein Buch, sondern eine lebendige Person: Jesus Christus. Im Anfang war das Wort (griechisch: Logos; Vernunft, Sinn). Die Bibel ist voll von Erfahrungen, wie Gott seinen Geschöpfen nachgeht. Der Logos sucht den Dialog (Dia-logos) mit den Menschen. In Christus hat das Wort Gottes ein „menschliches Antlitz“ bekommen. Dies ist Grundlage und Mitte der Heiligen Schrift der Christen.


Der Realist baut auf …
Die Finanzkrise der letzten Jahre hat es uns drastisch gezeigt. Materielle Werte können schnell schmelzen, Geldsummen in Millionenhöhe lösen sich plötzlich binnen Tagen, ja Stunden und Minuten in Nichts auf. Was bleibt? Zorn, Frust, Enttäuschung und Zusammenbruch. Das Wort Gottes bleibt. Realist ist derjenige, der sein Leben auf das Fundament des Wortes Gottes aufbaut.


Das Sonntagsevangelium
Wie bin ich im Kontakt mit der Realität, mit der Frohen Botschaft für mein Leben, mit Christus, der mich und mein Leben sucht?
Für die meisten Katholiken ist der häufigste Berührungspunkt mit der Bibel die Sonntagsmesse. Dazu meine Anregung: das Sonntagsevangelium bereits vorher durchlesen. – Und wenn ich dafür nur eine Minute (!) investiere, lohnt es sich, garantiert! Wie kann das gehen? In der Kirchenzeitung ist der Text immer abgedruckt - und auch erklärt. Im Internet ist es ganz leicht zu finden. Am Sonntag höre ich das Wort Christi dann wieder in der Sonntagsmesse, die Predigt gibt mir weitere Anregungen und es begleitet mich in der folgenden Woche.


Gefährlich und verboten!
Die gemeinsame Schlussbotschaft der Synode erwähnt besonders zwei Gruppen von Menschen. (1.) Arme, Unterdrückte und Leidende: sie sind die ersten Adressaten der Botschaft der Gerechtigkeit und der Hoffnung. (2.) Diejenigen, die heute um des Evangeliums willen verfolgt werden. Die Bibel ist auch heute noch ein gefährliches Buch, dessen Besitz in manchen Ländern strafbar ist und die Besitzer ins Gefängnis bringt. Die verfolgten Christen geben Zeugnis von der Kraft des Wortes Gottes. In der Schlussbotschaft folgt dann der eindringliche Aufruf, alle Medien und Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen, um das Wort des Lebens zu verbreiten. Nach wie vor ist täglich gelebtes Evangelium, ohne (viel) Worte hier aber wohl am wichtigsten.

Was darf an mein Ohr?
Wer hat das letzte Wort? Wer das erste? Im Leben eines Menschen und in der Menschheitsgeschichte? Hunderte, ja tausende Worte dringen täglich auf uns ein, wollen über uns bestimmen. Ich schließe mit einem Zitat aus der Schlussbotschaft. „Bewahren wir uns die Stille. Lassen wir (das Wort Gottes) zu Beginn des Tages erklingen, auf dass Gott das erste Wort habe, und lassen wir es am Abend in uns widerhallen, auf dass Gott auch das letzte Wort habe.“

Dr. Anton Leichtfried
Weihbischof